Ralf Einert

DER WELTGEIST - Werk 2:

Analysen zu einem Wandel in der Wirtschaftspolitik

Wirkung niedriger Löhne

Im Umkehrschluss zum positiven Regelkreis hoher Löhne bewirken niedrige Löhne, da sie keine Anforderungen darstellen, , die Trägheit und Bequemlichkeit des Managements. An die Stelle der Optimierung der Prozesse tritt Schlendrian und Planlosigkeit, die einfach und umkompliziert durch Mehrarbeit, die so gut wie nichts kostet, kaschiert werden können. Niedrige Löhne verbunden mit persönlicher Missachtung demotivieren die abhängig Beschäftigten. Das Management reagiert darauf mit einem autoritären Führungsstil, der jeden noch verbliebenen Rest an Eigenmotivation im Keim erstickt. Die betrieblichen Prozesse werden so gestaltet, dass die Arbeit von unqualifizierten und ungebildeten Menschen erledigt werden kann. Die Einstellungskriterien sind niedrige Löhne. Die Chefetagen genehmigen sich zur Belohnung fürstliche Prämien, schließlich halten sie sich für die "Leistungsträger" gegenüber all den anderen "Low Performern".

Das Resultat ist, dass Unternehmen sich nicht mehr um die betriebliche Aus- und Weiterbildung ihrer Beschäftigten kümmern. Dazu kommt die Verschlechterung der Einstellungs- und Aufstiegsmöglichkeiten für Haupt- und Realschüler. Lehrer können ein Lied davon singen, wie schwierig es ist, Schüler in Problembezirken in Schule und Ausbildung zu motivieren, sich überhaupt noch Mühe zu geben. Und im Prinzip scheinen diese jungen Menschen sogar recht zu haben, sich für die zu erwartenden kümmerlichen Löhne keine besondere Mühe zu geben. Andererseits bedarf es nach wie vor der "Weiterentwicklung" des Managements. Denn es gilt, die unternehmerischen Abläufe in allen Details zu fixieren und einen Apparat von Überwachungs- und Sanktionsmechanismus zu schaffen. Auf diese Weise entsteht eine vermeintliche Elite, die sich immer mehr abschottet und deren Durchlässigkeit immer weiter sinkt. Die Gesellschaft spaltet sich in Arm und Reich, die Eliteförderung für Wenige und die Vernachlässigung der Vielen.

Von demotivierten und missachteten sowie unterbezahlten Menschen ist keine Eigeninitiative und persönliche Weiterentwicklung zu erwarten. Das führt zu Qualitätsverlusten und zum Verzicht auf die wissenschaftliche und technische Entwicklung. Ein entscheidender Wettbewerbsvorteil geht verloren.

Während die Rationalisierungsprozesse basierend auf hohen Löhnen noch zwei alternative Konsequenzen zuließen, nämlich den gesellschaftlichen Bankrott oder die Wohlfahrtsmaximierung in der Freizeitgesellschaft, bleibt für Verzicht auf Qualität und Technologie basierend auf niedrigen Löhne nur eine Konsequenz übrig:

Unproduktive Prozesse müssen durch längere Arbeitszeiten und weitere Lohnkürzungen kompensiert werden. Dies führt möglicherweise zur Vollbeschäftigung aber auch zu Repression und Zwangsmaßnahmen gegenüber den Arbeitskräften. Lohnkürzungen und der Verlust der internationalen Wettbewerbsfähigkeit führen zu einer Verringerung der Staatseinnahmen, die auch durch Abgaben- und Steuererhöhungen nicht mehr kompensiert werden kann.

Ein positiver Regelkreis ist entstanden: Niedrige Löhne erzwingen niedrige Löhne.

Die Folge ist die Verarmung bestenfalls bei Vollbeschäftigung.

Im Rahmen des Lebenszyklus von Gesellschaften gemäß Kapitel 5 entspricht diese Folge der Regressionsphase. In dieser Phase werden die ehemals stolzen Industrienationen von den sich entwickelnden Ländern überholt. Dort steigen die Löhne. Hier beschleunigt sich die Abwärtsspirale:

Der Untergang wirtschaftlich entwickelter Gesellschaften steht bevor,

wenn das Vertrauen der Menschen verspielt wird.

Niedrige Löhne, die der kurzfristigen Gewinnmaximierung dienen, gehen zulasten der langfristigen Optimierung der Gewinne. Firmenkäufer, die nach solchen Prinzipien handeln, werden zu recht als Heuschrecken bezeichnet.