Gedanken zum Dezember 2010
Personalauswahl
Auf meiner Website habe ich die These aufgestellt, dass die Auswahl von Fach- und Führungskräften in Wirtschaft,
Wissenschaft und Politik eine nationale Katastrophe ist. Anhand einiger Beispiele, die in Bewerbungsprozessen vorkommen
können, möchte ich dies nun belegen:
- In manchen Fragebögen werden Kenntnisse abgefragt, die sich ein durchschnittlich gebildeter Mitteleuropäer in wenigen
Stunden selbst aneignen kann oder die selbst von etwas Begriffsstutzigen an Wochenendseminaren erworben werden können.
Diese Gewichtung unbedeutender Details als entscheidungsrelevante Kriterien ist absurd.
- In klassischen Bewerbungsgesprächen werden die Kandidaten gebeten, ihren Werdegang zu erzählen, obwohl das doch alles
schon ausführlich schriftlich mit dem Lebenslauf vorliegt. Es ist nicht ersichtlich, welchen Vorzug eine spannend
monologisch erzählte Lebensgeschichte gegenüber fundierter Ausbildung und Erfahrung hinsichtlich einer Stellenbesetzung
haben soll. Immerhin habe ich selbst erfahren dürfen, dass ein Dialog hierzu eine außerordentlich angenehme
Gesprächsatmosphäre schaffen konnte.
- Während einzig und allein die Fähigkeit entscheidend sein sollte, sich die relevanten Kompetenzen zur Lösung einer
Aufgabe aneignen zu können, muss man immer noch mit der Frage nach den Schwächen rechnen. Dabei ist eine erfolgreich
abgeschlossene Ausbildung in der Regel eine ausreichende Gewähr, dass etwaige Schwächen die zu erfüllende Arbeit nicht
unverhältnismäßig beeinträchtigen. Alles andere ist Privatsache, zumal die Kenntnis der Schwächen es den Arbeitgebern
erleichtert, die Kandidaten später auch wieder loszuwerden. Die Konsequenz wäre, sich eine Pseudoschwäche auszudenken
und deren Präsentation zu trainieren; das führt aber den etwaigen Sinn der Frage ad absurdum.
- Über Ausbildungs- und Arbeitszeugnisse sowie Referenzgeber und Lebenslauf wird versucht, die Vergangenheit in die
Zukunft fortzuschreiben bzw. das Verhalten der Menschen vorherzusagen, sie sollen völlig berechenbar sein. Wenn jemand
jedoch auf die einmal eingeschlagene Schiene festgelegt wird, entsteht eine sich selbst erfüllende Prognose. Doch
wirklich wichtig sollte die Nutzung etwaiger bisher ungenutzter Potentiale sein und der Wille sich zu verändern oder
etwas zu bewegen.
- Motiviert muss man sein. Dass Übermotivation ggf. auch kontraproduktiv sein könnte, wird offensichtlich nicht
reflektiert. Eine Ausbildung, die professionelles Arbeiten vermittelt hat, sollte jedoch als Anforderung an Bewerber
genügen. Fehlende Motivation muss schließlich nicht bedeuten, dass man als Miesepeter seinen potentiellen Kollegen
die Arbeit verleidet.
- Während es selbstverständlich ist, dass Unternehmer Geld verdienen wollen, werden Bewerber häufig nach ihrer eigenen
Motivation - siehe letzter Punkt - gefragt. Es liegt nahe, nicht zu antworten, man wolle bloß wegen des Geld arbeiten.
Man muss sich schon irgendeinen am Besten beinahe heiligen Zweck ausdenken, um gehört zu werden.
- Einerseits wird lebenslanges Lernen propagiert. Andererseits wird im Rahmen von Stellenbesetzung eine Übereinstimmung
von Persönlichkeits- und Anforderungsprofil gefordert. Unterschlagen wird dabei aber die Anpassungsfähigkeit der
Menschen. Darüber hinaus entsteht ein Dilemma für Persönlichkeiten, die zu neuen Ufern aufbrechen wollen.
- Online-Bewerbungsportale sind vielfach eine Zumutung. Der Zeitbedarf zum Ausfüllen beträgt ein Vielfaches gegenüber
dem Versand der Unterlagen mit Anschreiben, Lebenslauf und Zeugnissen per Mail. Dieser Nachteil könnte durch den
Vorteil aufgewogen werden, dass die Bewerber bei alternativen Stellenausschreibungen "automatisch" berücksichtigt
werden. Doch genau dies geschieht nach den Erfahrungen des Verfassers nicht.
- Es heißt, man müsse in persönlichen Gesprächen überzeugen. Doch es wird unterschlagen, dass eine "erfolgreiche"
Selbstdarstellung wenig über die tatsächliche Problemlösungskompetenz aussagt, zumal die Bewerbungssituation mehr
schlecht als recht die Arbeitssituation simuliert. Je mehr die Kandidaten auf eine Erwerbsarbeit angewiesen sind,
desto größer ist die psychische Belastung im Sinne einer Prüfungssituation, die überhaupt nicht mit denen der
Gesprächspartner korreliert.
Fazit: So wie die Personalauswahl derzeit vielfach praktiziert wird, ist sie eine Pseudowissenschaft und mit dem
Kaffeesatzlesen vergleichbar. Ich wiederhole: Die Auswahl von Fach- und Führungskräften gleicht einer nationalen
Katastrophe.
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Gedanken zum November 2010
Spätrömische Dekadenz
Der Bundespräsident will sich um den gesellschaftlichen Zusammenhalt bemühen. Das ist löblich. Doch Wunsch und
Wirklichkeit klaffen hier weit auseinander. Es gibt also eine Differenz zwischen Soll und Ist, das ist die Definition für
ein Problem. Tatsächlich wird der Spaltung der Gesellschaft beispielsweise durch die folgenden Punkte Vorschub geleistet:
- Die Arbeitsministerin Ursula van der Leyen argumentiert im Hinblick auf die Bestimmung der Hartz-IV-Sätze scheinbar
beiläufig, der Alkohol- und Zigarettenkonsum der Menschen dürfe nicht auch noch finanziert werden. An Zynismus kaum zu
überbieten, vor allem aber ohne es explizit aussprechen zu müssen, wird der Eindruck vermittelt, Hartz-IV-Empfänger seien
allesamt asoziale Alkoholiker - eine verheerende Stigmatisierung. Denn damit werden Neid- und Wutgefühle insbesondere
bei den unteren Lohngruppen und prekär Beschäftigten erzeugt; selbst die Mittelschicht grenzt sich zunehmend nach unten ab.
Möglicherweise bewusst und vorsätzlich werden so verschiedene gesellschaftliche Gruppen gegeneinander ausgespielt, um
die wirtschaftspolitischen Probleme bei den Schwächsten abzuladen zu können - bei Vorsatz müssten solche Amtsträger, im
Zweifel die ganze Regierung, unverzüglich entlassen werden, um Schaden vom Volk abzuwenden. Zusammenhalt entsteht anders.
Diese sprachliche Zuschreibung von negativen Attributen, kann die gesellschaftliche Akzeptanz von Verletzungen der
Menschenrechte gegenüber diesen Personengruppen befördern, wenn sich die demokratischen Strukturen einmal als doch nicht
so gefestigt herausstellen sollten. Im Übrigen sei daran erinnert, dass bereits in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts
die Bezeichnung von Arbeitslosen als Wohlstandsmüll von den Medien unreflektiert übernommen wurde. Exkurs: Alkoholismus
ist eine Krankheit, die behandelt werden muss; und die soziale Ausgrenzung durch Hartz IV ist eine Bedingung, die die
Entstehung dieser Krankheit erst befördert - ein verhängnisvoller Kreislauf.
- Eine weitere sprachliche Entgleisung von Repräsentanten dieser Regierung ist, spätrömische Dekadenz ausgerechnet bei
Hartz-IV-Empfängern auszumachen, die von etwa 10 Euro pro Tag existieren müssen. Faule Erben und leistungslose Bezieher
von Kapitaleinkommen werden wohl weislich nicht erwähnt, gehören sie doch zur eigenen Klientel. Wenn die Armen ärmer
und die Reichen reicher werden, kann zu Recht von einer Umverteilung von unten nach oben gesprochen werden. Gerechtigkeit
ist etwas anderes.
- Die Ungleichbehandlung von Steuerschuldnern und Beziehern von Hartz IV scheint ein Ergebnis der Stigmatisierung von
Langzeitarbeitslosen zu sein. Wer Hartz IV beziehen will, muss die Hosen herunterlassen und ggf. seine Wohnung durchsuchen
lassen; wehe aber, wenn mit der gleichen Akribie nach Vermögen und Kapitaleinkünften der Reichen gefahndet wird - das
Geschrei wäre groß. Wer Steuern in Millionenhöhe hinterzieht, wird wegen vermeintlicher Lebensleistung auch noch
entschuldigt. Bei einem Millionengehalt sollte doch wenigstens ein bisschen Leistung selbstverständlich sein. Nicht
entschuldigt werden hingegen beispielsweise Schwarzfahrer, die im Wiederholungsfall Gefängnisstrafen erhalten, obwohl
sie nur keinen kleinen Schaden verursacht haben, weil sie, hätten sie vorher zahlen müssen, nicht mit öffentlichen
Verkehrsmitteln gefahren wären, schließlich hätten sie es sich ohnehin nicht leisten können. Es entsteht nicht der
Eindruck, dass hier mit gleichem Maß gemessen wird. Lebensleistung und Schicksal zählen bei Menschen am unteren Rand der
Gesellschaft offenbar wenig. Doch Gleichbehandlung ist eine Bedingung für einen funktionierenden Rechtsstaat.
- Die Arbeitgeber durften sich aus der gesellschaftlichen Solidargemeinschaft verabschieden. Ihr Anteil an der
Krankenversicherung ist nun festgeschrieben, das heißt, alle weiteren Risiken sind allein von den abhängig Beschäftigten
zu tragen. Es gibt nun noch weniger Anreize, die Gesundheitskosten in den Griff zu bekommen. Wenn wenigstens die
Lohnnebenkosten ein wirkliches Argument wären ...
- Eine so offensichtlich Klientenpolitik zu Gunsten von Hoteliers, Energiekonzernen, Arzneimittelherstellern,
Versicherungen und anderen Interessengruppen scheint es in der Bundesrepublik noch nicht gegeben zu haben. Eine so
unverhältnismäßige Beteiligung der Armen an der Finanzierung von Misswirtschaft durch Spekulanten scheint
ebenfalls ein neues Phänomen zu sein. Diese Diskrepanz fördert nicht unbedingt den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
- Und weiter: Der Abstand zwischen Arm und Reich vergrößert sich. Das Verhältnis der Arbeitseinkommen zu den
Kapitaleinkommen sinkt. Der Anteil der Personalkosten zu den Materialkosten sinkt. Es muss nicht jeder gleich viel
haben, aber die Verteilung des Wohlstands ist schon eine der zentralen Fragen für den Erhalt des Gemeinwesens.
Es ist dem Verfasser nicht bekannt, dass auch nur ein Repräsentant dieses Landes auch nur zu einem der Punkte kritisch
Stellung genommen hat - aus Angst vor dem Tadel der Kanzlerin, aus voreiliger Anpassung an die Politik, aus Mangel an
Intellekt oder aus welchen Gründen auch immer.
Möglichkeiten den Zusammenhalt zu fördern, wären andererseits ...
- die Anpassung der gesellschaftlichen Spielregeln an die abnehmenden Wachstumsraten und tendenziell zunehmenden
Produktivitätsraten.
- die Machokultur vieler Jugendlicher nicht nur moralisch zu verdammen, sondern die Motive, die dahinter stecken,
zu nutzen. Die (verzweifelte) Suche nach persönlicher Anerkennung bräuchte einfach nur zum Wohle der Gesellschaft in
die richtigen Bahnen gelenkt werden.
- die Schaffung positiver Anreize, Menschen zu motivieren, statt Migranten und Arbeitslosen immer nur mit
Sanktionen zu drohen. Denkbar ist nämlich, dass Sanktionen die "falschen" Menschen abschrecken, nämlich diejenigen,
die bereits guten Willens sind.
- die Erhöhung des geistigen Niveaus insgesamt, insbesondere aber des Niveaus am unteren Rand der Gesellschaft, statt
das Heil der Gesellschaft in der weiteren Förderung einer ohnehin schon privilegierten so genannten Elite zu suchen.
Nicht die Ausbildung der ohnehin schon guten Jugendlichen wäre eine Leistung von Ausbildungsbetrieben, sondern die
Ausbildung und Sozialisation derjenigen, die oftmals als hoffnungslose Fälle abgetan werden.
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Gedanken zum Oktober 2010
Nachhaltigkeit
Im Brundtland-Report aus dem Jahr 1987 wird Nachhaltigkeit als dauerhafter Gleichgewichtszustand bezeichnet, der
den Bedürfnissen der heutigen Generation entsprechen soll, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden.
Heutzutage wird auch von einem Nachhaltigkeitsdreieck bestehen aus den Säulen Ökologie, Ökonomie und Soziales
gesprochen. Nachhaltigkeit ist also ein weit gefasster Begriff, der ins Beliebige geht und im Prinzip alles umfassen
kann. Doch es stellen sich dabei folgende Fragen:
- Sind steigende Kapitaleinkünfte zulasten der Arbeitseinkommen nachhaltig, wenn der Kapitalbedarf für Investitionen
aufgrund abnehmender Wachstumsraten eigentlich abnehmen sollte?
- Sind sinkende Steuerereinnahmen auf Kapital und Vermögen nachhaltig, wenn der Anteil der Kapitaleinkünfte steigt
und diese nicht einmal einen Beitrag zur Sozialversicherung leisten?
- Ist die Exportabhängigkeit der Deutschen Wirtschaft nachhaltig, wenn andere Staaten deshalb auf Kosten der Substanz
leben müssen, so dass Ungleichgewichte im Zahlungsverkehr Finanzkristen auslösen können?
- Sind Energieträger nachhaltig, deren Abfallprodukte viele hunderttausend Jahre 100%ig sicher gelagert werden müssen,
wo doch selbst der Zeitraum einer Legislaturperiode völlig unberechenbar ist?
- Ist Atomstrom nachhaltig, wenn die Netze zulasten regenerativer Energieformen blockiert und die Energiepreise
künstlich niedrig gehalten werden?
- Sind niedrige Energiepreise nachhaltig, wenn die Amortisationsdauer von Zukunftsinvestitionen verlängert wird,
so dass diese dann konsequenterweise ganz unterbleiben?
- Sind Biokraftstoffe nachhaltig, wenn dafür der noch verbleibende Ur- und Regenwald abgehackt wird und durch riesige
Monokulturen ersetzt wird?
- Sind nachwachsende Rohstoffe nachhaltig, wenn diese in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion stehen und dadurch
die Lebensmittelpreise der Ärmsten steigen?
- Ist die kurzfristige Gewinnmaximierung nachhaltig, wenn die Mittel gemäß der Geschäftsprinzipien der
Private-Equity-Branche aus der Substanz der Unternehmen stammen?
- Ist die wirtschaftliche Entwicklung nachhaltig, wenn langfristig die Wachstumsraten der Wirtschaft abnehmen und die
Produktivitätsraten zunehmen?
- Ist Wachstum in Industrieländern noch nachhaltig, wenn gemäß des Gesetzes vom abnehmenden Grenznutzen jedem Mehr
ein jeweils abnehmender Zusatznutzen gegenübersteht?
- Ist die Zunahme des Abstands zwischen Arm und Reich nachhaltig, wenn dadurch der soziale Konsens einer
Gesellschaft in Frage gestellt wird?
- Ist der Arbeitsmarkt nachhaltig, wenn die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer durch Abhängigkeitsverhältnisse
geprägt ist und folglich die Zahl prekärer Arbeitsverhältnisse zunimmt?
- Ist der Abbau der Arbeitslosigkeit nachhaltig, wenn er ausschließlich aus dem Wachstum der Wirtschaft
insbesondere der Exporte und der Ausweitung des Niedriglohnsektors resultiert?
- Sind Vergütungsmodelle und Anreizsysteme nachhaltig, bei denen das Management für sinkende Stundenlöhne der
Belegschaften mit Prämien belohnt wird?
Die Realität hat also bei Weitem nichts mit Nachhaltigkeit zu tun. "Nachhaltigkeit" ist folglich heutzutage nichts
anderes als eine beliebige rhetorische Floskel, die das eigene Denken und Handeln moralisch überhöhen soll. So hält
Frau Angela Merkel ihre so genannte "Energierevolution" selbstverständlich für nachhaltig, während ihre Kritiker
genau das Gegenteil für sich in Anspruch nehmen.
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Gedanken zum September 2010
Gleichgewicht der Gier
Millionengehälter von Investmentbankern und Vorständen haben weder etwas mit seltener Begabung noch etwas mit
besonderer Leistung zu tun. Sie sind schon eher ein Ausdruck von Narzissmus und paranoider Persönlichkeitsstörungen,
dass heißt übertriebener Geltungssucht und übertriebener Einschätzung der eigenen Wichtigkeit - sie sind Ausdruck von
etwas Krankhaftem.
So gibt es Milliardäre wie Bill Gates, die gar nicht mehr wissen, was sie mir ihrem vielen Geld so alles anstellen
sollen. Es ist sicher ehrenwert, einen Teil des Geldes für wohltätige Zwecke Spenden zu wollen. Doch angesetzt werden
muss viel früher. Denn dass es überhaupt möglich ist, solche Vermögen anzusehen hat drei wesentliche Ursachen.
Erstens: Die Steuern sind zu niedrig. Schließlich tragen insbesondere die einfachen Menschen zur Aufrechterhaltung der
gesellschaftlichen Strukturen als Produktionsfaktor bei, ohne davon einen angemessenen Ausgleich zu erhalten.
Zweitens: Die Preise sind zu hoch. Monopolartige Strukturen werden hervorgebracht, weil offensichtlich gerade
Softwarelösungen einheitliche Standards und Plattformen erfordern. Schließlich behindern überhöhte Softwarepreise die
gesellschaftliche und wirtschaftliche Weiterentwicklung, indem die Kreativwirtschaft durch eine solche Kostenbremse
belastet wird. Im Übrigen beruht der Erfolg von Microsoft mutmaßlich darauf, dass deren Produkte in den 80er und 90er
Jahren des letzten Jahrhunderts zur meistgeklauten Software gehörten. Drittens: die Löhne sind zu niedrig. So erzielt
das Unternehmen einen Umsatz von fast 700.000 $ je Mitarbeiter jährlich. Der Materialeinsatz von Softwarefirmen wird so
hoch schon nicht sein.
Ein Argument für solch überdurchschnittliche Rendite ist die Höhe des Risikos. Doch Risiken tragen hauptsächlich
kleine Handwerksmeister oder innovative Entrepreneure der Kreativwirtschaft, die mit Ihrem gesamten Hab und Gut,
vielleicht 10.000 € oder 100.000 € haften. Auch Mittelständler, die als Zulieferer sich in der Zange großer Konzerne
befinden, zahlen im Zweifel mir ihrer Existenz. Vermögenswerte von zwei- oder dreistelligen Millionenbeträgen können
jedoch so gestreut werden, dass etwaige Risiken nahezu vollständig verschwinden. Das Risiko sinkt folglich mit der Größe
des angehäuften Vermögens. Folglich ist Vermögen progressiv zu besteuern.
Bis etwa in die 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts haben höhere Unternehmensgewinne höhere Löhne zur Folge gehabt.
Der Erfolg der einen war an den Erfolg der anderen positiv gekoppelt. Seitdem sind jedoch die Prämien der Konzernlenker
auf erfolgreiches Lohndumping zurückzuführen. Der Erfolg der einen ist mit dem Misserfolg der anderen gekoppelt.
Dass der Abstand zwischen Arm und Reich wächst und sich das Verhältnis von Kapital- zu Arbeitseinkommen zugunsten der
Kapitaleinkommen verschiebt, ist das Resultat der Gier. Wenn man von den Extremen Einkünften am oberen Rand absieht,
scheint Gier jedoch etwas relativ Normales zu sein. Das Problem ist nur, dass die normalen Arbeitnehmer dieser Gier
nichts Adäquates entgegenzusetzen haben. Aufgrund abnehmender Wachstumsraten und tendenziell zunehmender
Produktivitätsraten sind die Menschen gezwungen, ihre Arbeit auch dann anzubieten, wenn diese gar nicht nachgefragt wird.
Als Konsequenz fehlt ihnen die Verhandlungsmacht. Diese muss ihnen zurückgegeben werden.
Nicht die Gier ist das eigentliche Problem:
Wenn man schon nicht auf die Gier verzichten kann oder will, muss als Ausgleich wenigsten die Herstellung des
Gleichgewichts der Gier angestrebt werden. Dies kann jedoch nur dann funktionieren, wenn der Zwang, zu arbeiten aufhört.
Dazu kann beispielsweise die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens und die Stärkung der Gewerkschaften
beitragen.
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Gedanken zum August 2010
Vergleich des Arbeitsmarktes mit dem Immobilienmarkt
Die geplante Übernahme von Karstadt durch Berggruen ist insoweit ein positives Beispiel, als dass hier nicht nur der
reflexartige Ruf nach Lohnkürzungen, Arbeitszeitverlängerungen, Urlaubskürzungen und Verzicht auf Sozialleistungen erschallt,
sondern auch mal angemessene Mieten gefordert werden - sicher nicht selbstlos, schließlich ist die Berggruen-Holding auch
ein Investmentunternehmen für Immobilien.
Offenbar ist so etwas sehr viel schwieriger durchzusetzen. Und dies zeigt, dass die Märkte für Arbeit sowie Güter und
Dienstleistungen total unterschiedlich funktionieren.
Während Arbeit auch ohne Nachfrage angeboten werden muss, um existieren zu können, werden Güter und Dienstleistungen unter
gleichen Umständen gar nicht erst erstellt. Das bedeutet, dass Arbeitslose unabhängig von ihren zeitlichen und finanziellen
Investitionen in Bildung jede (zumutbare) Arbeit, weit unter dem üblichen Vergütungsniveau anzunehmen haben.
Doch wie kann man beide Märkte vergleichbar machen?
Die eine Alternative ist, die Nachfrage für Arbeit soweit zu erhöhen, dass für alle Arbeit vorhanden ist. Abnehmende
Wachstumsraten und steigende Produktivitätsraten zeigen jedoch, dass dies voraussichtlich nicht möglich sein wird.
Die andere Alternative ist, möglichst viele Teilmärkte den Prinzipien des 'Arbeitsmarktes' anzupassen. Geht man so die
eine oder andere Straße entlang, kann man beobachten, dass zahlreiche Bürogebäude jahrelang leer stehen. Leerstand scheint
sich zu lohnen. Profitabel kann dies aber nur dann sein, wenn dadurch erreicht wird, das Mietniveau der übrigen
Gewerbeimmobilien unverhältnismäßig hoch zu halten.
Hohe Löhne schaden der Wirtschaft, hohe Mieten hingegen nicht? Wie passt das zusammen?
Eine Lösung offenbart sich beim Blick auf den 'Arbeitsmarkt'. Ich schlage vor, dass Vermieter für jedes Jahr Leerstand die
Miete um 20% zu kürzen haben, während die maximale jährliche Mieterhöhung 5% nicht übersteigen darf, wenn der Mietvertrag
unter diesen Umständen zustande gekommen ist.
Dies hat zahlreiche Vorteile wie beispielsweise die Förderung der Kreativwirtschaft, die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit
für Unternehmen, die Nutzung städtischer Räume statt zunehmender Verfall und Verwahrlosung, die Schaffung von Arbeitsplätzen
und schließlich die Umsetzung der Idee 'Eigentum verpflichtet'.
'Ja, dann werden halt keine Büros mehr gebaut', erschallt es von den Kritikern. Es kann aber nicht sein, Brachflächen der
öffentlichen Nutzung und dem Gemeinwohl zu entziehen. Folglich sind darüber hinaus die vielen städtischen ungenutzten
Flächen zu thematisieren.
Es wäre also denkbar, Grundstückseigentümer zu verpflichten, innerhalb von 5 Jahren ein Nutzungskonzept vorzulegen, das
nach weiteren 2 Jahren umgesetzt sein muss, anderenfalls wird auf Kosten des Eigentümers die öffentliche Nutzung als Park,
Spielplatz, Sportplatz, Grünfläche oder anderes ermöglicht.
Spekulantentum mit Grund und Boden widerspricht der Idee 'Eigentum verpflichtet'. Eigentum an nicht genutzten Flächen
sollte als sittenwidrig gelten.
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Gedanken zum Juli 2010
Abnehmende Wachstumsraten und steigende Kapitaleinkünfte
Das Ausleihen von Kapital hat den Zweck, Investitionen in die Zukunft zu ermöglichen. Investitionen sind folglich
verbunden mit Wachstum, wenn es sich nicht nur um wenige, sondern um eine Vielzahl von Akteuren einer Gesellschaft handelt.
Wenn die Investitionen getätigt sind und genutzt werden können, dient ein Teil der Erträge dazu, die Zinsen zu zahlen und
den Kredit zu tilgen. Spätestens am Ende der Nutzungsdauer sollte der Kredit samt Zinsen zurückgezahlt sein.
Bei einer Vielzahl von wirtschaftlich tätigen Akteuren ist in der Summe folglich der Kapitalbedarf an die wirtschaftliche
Entwicklung, sprich das Wachstum gekoppelt. Abnehmende Wachstumsraten müssten also logischerweise mit einem abnehmenden
Kapitalbedarf verbunden sein. Dass die Wachstumsraten im Laufe des wirtschaftlichen Lebenszyklus von Industrienationen
abnehmen, bestätigt die Empirie in Verbindung mit dem Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen, nach dem jedes Mehr nur einen
geringeren Zusatznutzen bedeutet.
Auf der anderen Seite beträgt die Sparquote in Deutschland beispielsweise etwa 10%. Das bedeutet, ein abnehmender
Kapitalbedarf trifft auf ein zunehmendes Angebot von Kapital. Das wiederum heißt, dass das Kapital nicht mehr in der
Realwirtschaft angelegt werden kann, sondern dass Kapital mit Kapital Geld verdienen muss.
Wir haben es also mit zwei gegenläufigen Tendenzen zu tun: Mehr Kapital und weniger Investitionsbedarf. Kapital muss
mit Kapital Geld verdienen. Kapital- und Gütermarkt entkoppeln sich. Spekulationsblasen sind schließlich systembedingt.
Das Ausmaß der Krisen muss sich mit jeder Wiederholung notwendigerweise vergrößern.
Dramatisch verschärft wird dieses Problem durch die Privatisierung der Rentenversicherung. Die Pensionsfonds verwalten
ein gigantisches Vermögen. Doch auch hier kommt die demografische Entwicklung ins Spiel. Immer weniger Menschen müssen
die Zinsen von immer größeren Kapitalmengen erarbeiten. Das geht eine Weile gut. Wenn aber die Substanz der Unternehmen,
insbesondere des Mittelstands durch die Methoden der Private-Equity-Fonds aufgebraucht ist, spätestens dann, wenn diese
Unternehmen in der nächsten Krise wie ein Kartenhaus zusammenbrechen, wird auch die private Rentenversicherung in erhebliche
Schwierigkeiten kommen, so dass letztlich wieder der Staat als Retter in der Not einspringen muss. Als Nebensatz: Die
Methoden der Private-Equity-Fonds zur Aushöhlung der Substanz sind effektiv. Das sind zum Beispiel der Verkauf von Forderung,
Sale and Lease Back, Verkauf von Immobilien sowie Intellectual Property, Verringerung der Kassenbestände und Erhöhung der
Schuldenlast und vieles andere mehr.
Was ist nun die Folge dieser gegenläufigen Trends abnehmenden Kapitalbedarfs und zunehmenden Kapitalangebots?
Die Antwort lautet: Sparen darf sich nicht mehr lohnen.
Welche Möglichkeiten gibt es?
- Verringerung der Zinsen. Doch niedrige Zinsen erhöhen die Nachfrage nach Kapital, das wiederum in Kapital investiert.
Daher ist dies keine Lösung.
- Entsparen durch Erhöhung der Inflation. Damit werden zugleich die Probleme der Defizite der öffentlichen Haushalte gelöst.
Inflation und Geldentwertung trifft aber gleichzeitig den "Kleinen Mann" überproportional, da für ihn die Flucht in
Sachwerte schwieriger ist. Daher ist dies ebenfalls keine Lösung.
- Erhöhung bzw. Einführung folgender Steuern: Vermögenssteuer, Kapitalertragssteuer und Devisentransaktionssteuer.
Doch Kapitalflucht könnte die Folge sein. Da es nun nicht so ist, dass gar kein Kapital mehr benötigt wird, ist dieses
Argument in der Tat von Bedeutung.
Die privaten Haushalte haben Spareinlagen in Höhe von etwa 5,4 Billionen Euro. Es ist mit Sicherheit nicht der mutmaßliche
Wille der Sparer, dass ihr Geld an den internationalen Kapitalmärkten verzockt wird. Dieses Geld dürfte reichen, selbst
öffentliche Schulden von 100% des Bruttoinlandsprodukts sowie den gesamten deutschen Mittelstand zu finanzieren. Um die
Banken dazu zu bewegen, die Spareinlagen in diesem Sinne zu verwenden, bedarf es eines entsprechenden Anreizsystems.
Eine Kreditklemme ließe sich in diesem Sinne vermeiden, wenn die Einlagensicherung von Spareinlagen an Bedingungen
verknüpft wird, wie beispielsweise:
- die Verpflichtung der Banken zur Finanzierung des Mittelstands,
- die Trennung von traditionellem Bankgeschäft und dem Investmentbanking,
- die Einschränkung des spekulativen Handels mit Staatsanleihen.
Es wird sich zeigen, dass das Bedürfnis nach Sicherheit so groß ist, dass der erwünschte Steuerungseffekt zur Finanzierung
der Staatsschulden und des Mittelstands erzielt wird. Die Erhebung von Devisentransaktionssteuern würde keine Kapitalflucht
in kritischer Größenordnung nach sich ziehen. Die Banken werden auch ohne Gesetz und Verordnung ihre Geschäftsfelder
organisatorisch voneinander trennen.
Wer sein Geld spekulativ anlegen möchte, kann es nach wie vor tun.
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